Studium in Tübingen; Philosophieren über Revolution und Freiheit 

(1788 – 1793)

Zeittafel:

1788 –

1789:      Beginn des Freundschafts- und Dichterbundes zwischen Hölderlin, Ludwig Neuffer und Rudolf Magenau

                Beginn der Freundschaft mit Hegel

In Tübingen Einfluss Schillers

1789:      14. Juli: Beginn der Französischen Revolution

                Revolutionäre Stimmung im Stift

1790:      Schelling tritt ins Stift ein.

                Liebe zu Elise Lebret

1791:      In Stäudlins Musenalmanach für 1792 werden die ersten Gedichte Hölderlins veröffentlicht

                Neuffer und Magenau scheiden aus dem Stift aus

1793:      Entlassung aus dem Tübinger Stift

nach: Ulrich Häussermann, „Hölderlin“, Rowohlt Bildmonographie, 1970 UND „Friedrich Hölderlin“, David Constantine, Beck´sche Verlagsbuchhandlung, München, 1992

Hölderlins Freund Christian Ludwig Neuffer  (1790): Mit Hölder und Magenau verbindet mich eine ganz besondere Freundschaft. Magenau und mir  gelang es den von Unsicherheit, Zweifeln und Vereinsamung geprägten Hölder eine entscheidende Hilfe zu geben. Dank unseres gegründeten Aldermannbundes, einem Freundschaftsbund, dessen Grundlage das Rezitieren und Diskutieren von eigenen und fremden Gedichten war, kam Hölder langsam aus seinem Leiden heraus, und er bildet gleichzeitig unseren Mittelpunkt. Wir sind wie eine Seele in drei Leibern. (F(

 

Brief Hölderlins an seinen Bruder Karl (September1793):

In diesem Brief wird Hölderlins Einstellung und Begeisterung für die Ziele der Revolution deutlich. Außerdem zeigt sich seine Hoffnung auf eine durch die Freiheit  bessere Menschheit in der Zukunft.

„[...] Ich liebe das Geschlecht der kommenden Jahrhunderte. Denn dies ist meine seligste Hoffnung, der Glaube, der mich stark erhält und tätig, unsere Enkel werden besser sein als wir, die Freiheit muß einmal kommen, und die Tugend wird besser gedeihen in der Freiheit heiligem erwärmenden Lichte als unter der eiskalten Zone des Despotismus [System der Gewaltherrschaft]. Wir leben in einer Zeitperiode, wo alles hinarbeitet auf bessere Tage. Diese Keime von


 

 

.

Aufklärung, die stillen Wünsche und Bestrebungen Einzelner zur Bildung des Menschengeschlechts werden sich ausbreiten und verstärken, und herrliche Früchte tragen. Sieh! lieber Karl! dies ists, woran nun mein Herz hängt. Dies ist das heilige Ziel meiner Wünsche, und meiner Tätigkeit – dies, das ich in unserm Zeitalter die Keime wecke, die in einem künftigen reifen werden.“

Friedrich Hölderlin, „Werke/ Briefe/ Dokumente“, Winkler Weltliteratur, München 1963; S. 704

 

 

Schicksalhafte Freundschaft

In der Biographie „Hölderlin“ von Ulrich Häussermannn, wird die prägende Freund-schaft zwischen Hölderlin und Hegel (und Schelling) folgen-dermaßen kommentiert:

„Die Jahre der eigentlichen, engen Gemeinsamkeit zwi-schen Hölderlin, Hegel und Schelling begannen im Herbst 1790 und endeten im Herbst 1793. Die Freundschaft zwischen Hölderlin und Hegel wurde bis um die Jahr-hundertwende weitergeführt, die Freundschaft zwischen Hölderlin und Schelling wich wohl bald einer

 



distanzierten, sehr seriösen gegenseitigen Hochachtung.

Das seltene Wunder einer dreifachen Freundschaft auf einem gemeinsamen un-bestechlichen geistigen Niveau war hier als Möglichkeit gegeben und wurde in den Tübinger Jahren in einer vielleicht einmaligen Weise aufgegriffen und erfüllt. [...]

Die gewichtigste Beziehung in der Konstellation der drei war zweifellos die zwischen Hölderlin und Hegel. Das hat seinen Grund nicht nur im Gemeinsamen Alter dieser Beiden (Schelllind war ja 5 Jahre jünger). Die Beiden







hatten Macht über einander durch die extrem polare Spannung ihrer Begabungen und durch ihrer beider seltsam ergreifende, zärtlich – strenge Liebe zu einander.

Das schicksalhafte dieser Freundschaft – schicksalhaft auch in der Wirkung auf das Jahrhundert – liegt im Persönlichen sowohl wie im Geistigen. Für Hegel war „diese Freundschaft wenigstens von seiner Seite die persönlich wärmste seiner Jugendzeit“ (Rosenzweig).“

 

Ulrich Häussermann, „Hölderlin“, Rowohlt Bildmonographie, 1970; S. 68

 


Gedicht Hegels an Hölderlin

 „Ein ergreifendes Zeugnis dieser Freundschaft ist das Gedicht, das Hegel seinem Freund Hölderlin widmete und in dem der Spröde eine hymnische Freiheit und Anmut entfaltet, die man nicht bei ihm suchen würde: 

 

... Dein Bild, Geliebter, tritt vor mich,

Und der entfloh´nen Tage Lust; doch bald weicht sie

Des Wiedersehens süßern Hoffnungen –

Schon mahlt sich mir der lang ersehnten, feurigen

Umarmung Scene; dann der Fragen, des geheimern

Des wechselseitigen Ausspähens Scene,

Was hier an Haltung, Ausdruck, Sinnesart am Freund

 Sich seit der Zeit geändert, der Gewisheit Wonne,

Des alten Bundes Treue, fester, reifer noch zu finden,

Des Bundes, den kein Eid besiegelte,

Der freien Wahrheit nur zu leben,

Frieden mit der Satzung

Die Meinung und Empfindung regelt, nie nie einzugehn.“

Ulrich Häussermann, „Hölderlin“, Rowohlt Bildmonographie, 1970; S. 70  

 

Hölderlin und die Revolution

 

„In Stäudlins „Poetischer Blumenlese fürs Jahr 1793“ ist Hölderlin gar mit sieben Gedichten vertreten. „Kanton Schweiz“ erinnert an dessen Fußreise mit C. F. Hiller und F. A. Memminger, einem Medizin Studenten aus Reutlingen, in das vielen Zeitgenossen als republikanische Vorbild gesuchte „Land der Freiheit“ im Frühjahr 1791. Der dem Freunde Hiller gewidmete Hexameter-Hymnus endet mit den Versen:

 

„Könnt´ ich dein vergessen, o Land, der göttlichen Freiheit

Froher wär´ ich; zu oft befällt die glühende Schaam mich,

Und der Kummer, gedenk´ ich dein, und der heiligen Kämpfer.

...

Doch ich vergesse dich nicht! ich hoff´ und harre des Tages,

Wo in erfreuende That sich Schaam und Kummer verwandelt.“

 

Solche Verse sind Widerhall der durch die Französische Revolution 1789 geweckten Hoffnungen, die Hölderlin mit vielen seiner – vor allem den jugendlichen – Zeitgenossen teilte. Von den Ideen der alle anderen politischen Ereignisse im Ausgang des 18. Jahrhunderts überschattenden Umwälzung im Nachbarlande war auch er hingerissen worden. Mit den Freunden im Stift wird er manche der damals erschienenen Zeit- und Flugschriften gelesen haben:[...] Wie bei vielen dämpften auch bei Hölderlin die Hinrichtung Ludwig XVI. und das einsetzende Schreckens-regime die anfängliche Begeisterung. Wohl hielt er nach wie vor zur Idee der Revolution, blieb er leidenschaftlicher Republikaner, aber er wandte sich von den „Volksschändern“ 1793 ebenso enttäuscht ab, wie später von Bonaparte, als dieser sich zu Alleinherrscher in Frankreich machte.“

 

„Marbacher Magazin 2/ 1978“, Herausgeber: Bernhardt Zeller, Stuttgart 1983 (S. 16/ 17)

 

Das Symbol „Freiheitsbaum“

 

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Hölderlin und seine „Lydia“

Im Jahr 1790 berichtet Hölderlin in einem Brief seinem Freund Neuffer eine neue Bekanntschaft:

„Aus Gelegenheit einer Auction... kam ich ihr nahe – erst kalte Blicke – dann versöhnliche – dann Complimente – dann Erinnerungen und Entschuldigungen - ! So wars von beiden Seiten. Seelenvergnügt gieng ich weg...“1

Marie Elisabeth Lebret, genannt Elise, war die Tochter des Universitätskanzlers in Tübingen. Die Verbindung hielt während der Tübinger Studienzeit an, und Hölderlin dachte sogar zeitweise an eine Verbindung auf Dauer (Hochzeit). Zuerst war eine zurückhaltende dann tiefere Zuneigung zu dem verwöhnten Mädchen zu bemerken.

In seinen damals verfassten Gedichten nannte Hölderlin seine Elise liebevoll „Lydia“.

1 „Marbacher Magazin 2/ 1978“, Herausgeber: Bernhardt Zeller, Stuttgart 1983 (S. 15)