Haushofmeister in Waltershausen / bei Goethe und Schiller in Jena 

(1793 – 1795)

 

 

Zeittafel:  

1793:       Schiller bietet Hölderlin Stelle als Hofmeister bei Charlotte von Kalb an bei Jena, welche er annimmt.

                Dezember: Theolog. Konsistorialexamen in Stuttgart; Ende des Monats trifft er in Waltershausen  bei von Kalb ein.

1794:       Schiller kehrt nach Jena zurück, seine Freundschaft mit Goethe  beginnt im Sommer.

                Hölderlin Anfang Nov. mit Fritz von Kalb nach Jena, dort häufiger Umgang mit

 Schiller, trifft auch Goethe und Herder.

1795:       Beendigung des Dienstverhältnises zu Charlotte .v. Kalb, reist bald darauf nach Lützen, Halle, Dessau und Leipzig.

                Im April stirbt Rosine Stäudler, die Braut Neuffers.

                Ende Mai Flucht aus Jena zurück nach Nürtingen

                Dezember: Ankunft in Frankfurt

                Im Juli wird Louise Agnese geboren, die möglicherweise Hölderlins Tochter ist, diese stirb jedoch schon im  September

  ’96. Die Mutter ist eine junge Witwe namens Wilhelmine Marianne Kirms

nach: Ulrich Häussermann, „Hölderlin“, Rowohlt Bildmonographi

Charlotte von Kalb.
Ölgemälde von
Johann Friedrich August Tischbein

 

Charlotte von Kalb schwärmt: „Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu Hölderlin"

Hölder reiste Ende Dezember 1793 bei uns in Waltershausen (Anm. der Red.: bei Meiningen) an. Er sollte meinen Sohn Fritz erziehen. Ich habe ihn durch meinen Freund Schiller kennen gelernt. In einem Brief bat er mich um die Anstellung Hölders, da ich einen Haushofmeister suchte. Doch gleich bei seiner Ankunft geschah das erste Malheur: Ich war nicht daheim, kehrte erst im März zu meiner Familie zurück, doch dort war niemand von dem neuen Hofmeister in Kenntnis gesetzt. So stand der Arme zunächst hilflos vor unserem Tor und bat vergebens um Einlaß – bis sich der Irrtum endlich heraus stellte. (C. v. Kalb schmunzelt still vor sich hin)

Fritz war zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre alt, und Hölder hatte mit ihm seine ersten Erfahrungen im erzieherischen Bereich. Zunächst funktionierte das auch sehr gut, und ich war begeistert von Hölder. Nach wenigen Monaten stellte sich allerdings schon heraus, dass er nicht für diese Aufgabe geschaffen war. (...) Ich gebe zu, auch Fritz war nicht immer einfach, aber Hölder hat doch ein sehr „empfindlich(es)“ (S.53, Chr)

Gemüt und wirkt rasch „überspannt“ (S.53, Chr). Eine erneute Chance für eine Annäherung zwischen Fritz und Hölder bot die gemeinsame Jena – Reise im November ’94. Doch Hölder war nicht sehr talentiert im Umgang mit meinem Sohn. Während ihres Jena – Aufenthalts kamen mir ernstliche Bedenken, da Hölder ihn immer härter behandelte und auch handgreiflich wurde, was eigentlich vollkommen gegen seine Natur war. Ihn selbst griff der Umgang mit Fritz sogar gesundheitlich an. Vermutlich auch der erste Hinweis auf seine noch fernere Zukunft in Tübingen. Im Januar 1795 trennten wir im gegenseitigen Einverständnis die Arbeits – Beziehung.

Persönlich hatte ich ein zwar distanziertes, aber sehr gutes Verhältnis zu ihm. Da ich neun Jahre älter bin als er, war ich ihm meist mütterlich zugewandt – war er doch immer so rastlos und trotzdem bemüht. Er konnte einem richtig leid tun, wenn er sich selbst immer hart kritisierte und immerzu unzufrieden mit sich war. Dazu hatte er bei Wahrem keinen Grund, er barg ein solches Talent...! Und

doch kämpfte er immerzu um Aufmerksamkeit, besonders um die schillersche... Man hatte immer das Gefühl ihn beschützen zu müssen, aus Angst, er könne sich in seiner rastlosen Welt verlieren. Er ist ein sehr interessanter Mensch, doch bereitet er einem Sorgen. Schließlich bat ich Schiller, er möge sich doch für ihn nach einer Stelle umsehen, die nur leichte Arbeit birgt, aber genügend Geld bringt, damit er seine Grillen los wird. Das regt vielleicht seine philosophischen Gedanken an, seiner Gesundheit jedoch bekommt es gar nicht. Einem rastlosen Rad kann man nicht zu viel Verantwortung aufbürgen, es richtet ihn zu Grunde. Doch war ich ihm immer positiv gestimmt. (F)

Nach: Hölderlin, von Ulrich Häussermann, Rowohlt Bildmono-graphie, 1970

Hölderlin, Chronik seines Lebens mit      zeitgenössischen Abbildungen, hrsg. Von Adolf       Beck, Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig, 1975 (Chr)

 

 

Johann Christoph Friedrich Schiller

Johann Wolfgang von Goethe

Glück und Leiden durch den Kontakt zu Schiller

Eine Begegnung mit Schiller bedeutete für Hölderlin Genuss einerseits, aber Qual andererseits. Schon zur Zeit Hölderlins Aldermannbundes, war Schiller ein „menschlich(es), dichterisch(es) und denkerisch(es) Vorbild“ (S.58). Den ersten Kontakt mit ihm hatte er durch Stäudlin im Sommer 1793, als dieser dem nach einem Hofmeister suchenden Schiller Hölderlin dafür empfahl. Persönlich haben sie sich das erste Mal nur für eine halbe Stunde gesehen, um näheres  zu der Stelle bei Frau von Kalb zu besprechen. Bei seinem ersten längeren Besuch trifft er auch das erste Mal auf Goethe, was ihm zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht klar ist. Hölderlin selbst schreibt darüber: „ich trat hinein, wurde freundlich begrüßt, und bemerkte kaum im Hintergrund einen Fremden, bei dem keine Miene, auch nachher lange kein Laut etwas besonders ahnden ließ. Schiller nannte mich ihm, nannt’ ihn auch mir, aber ich verstand seinen Nahmen nicht. Kalt, fast one einen Blik auf ihn begrüßt ich ihn, und war einzig im Innern und Äußern mit Schillern beschäftigt; der Fremde sprach lange kein Wort. Schiller brachte die Thalia, wo ein Fragment von meinem Hyperion u. mein Gedicht an das Schiksaal gedrukt ist, u. gab es mir. Da Schiller sich einen Augenblik darauf entfernte, nahm der Fremde das Journal vom Tische, wo ich stand, blätterte neben mir in dem Fragmente, u. sprach kein Wort. Ich fült’ es, dass ich über und über roth wurde... Der Fremde lies ein paar Worte fallen, die gewichtig genug waren, um mich etwas ahnden zu lassen. [...] Ich gieng, u. erfuhr an demselben Tage im Klubb der Professoren, was meinst Du? daß Goethe diesen Mittag bei Schiller gewesen sei.“ (S.83).

Beide, Schiller und Goethe, können Hölderlins Persönlichkeit auch nach längerer Zeit nicht klar einordnen. Sie empfanden ihn beide als eine sehr seltsame Person.

Schiller und Hölderlin hatten ab Ende 1794 verstärkt Kontakt, was besonders für Hölderlin sehr wichtig war. Doch schon von Beginn an seiner Anstellung bei von Kalb wirbt er um Schillers Aufmerksamkeit. Er schickt ihm seine Gedichte und viele weitere Briefe, die häufiger von Schiller unbeantwortet bleiben. Doch Schiller war ihm immer väterlich wohlgesonnen und veröffentlichte schließlich im September das „Fragment zu Hyperion“ in seiner „Thalia“, an dem Hölderlin zum Anfang des Jahres sehr intensiv gearbeitet hat. Im stetigen Kampf um Schiller erlebt er viele Enttäuschungen, fühlt sich aber trotzdem immer umsorgt. Hölderlin empfindet die Kraft Schillers in seiner Gegenwart als „Sphäre“(S.82), von welcher er nicht loskommt. Er selber berichtet schon zu Anfang: „Die Nähe der wahrhaft großen Geister, und auch die Nähe wahrhaft großer selbsttätiger mutiger Herzen schlägt mich nieder und erhebt mich wechselweise, ich mus mir heraushelfen aus Dämmerung u. Schlummer, halbentwikelte, halberstorbne Kräfte sanft und mit Gewalt weken und bilden, wenn ich nicht am Ende zu einer traurigen Resignation meine Flucht nehmen soll.“ (S.82) Nach einer Begegnung mit Schiller kann Hölderlin sich nicht mehr konzentrieren. Den ganzen folgenden Tag sind seine Gedanken für nichts anderes mehr frei. Dies ist die große Last, die er immer verspürt. Trotzdem fühlt er sich verwundert, wenn er bemerkt, dass sich Schiller wirklich für ihn interessiert und fragt womit er dies nur verdiene. Immer und immer wieder fleht er geradezu um Aufmerksamkeit und nette Worte von Schiller. Trotzdem findet er seinen eigenen Schreibstil, lässt sich hier nicht weiter von Schiller beeinflussen, auch wenn er es zu Beginn seiner Dichtungen versuchte. Schon bald bildete sich sein eigener Stil heraus.

Ende Januar 1795 Erhält Hölderlin eine Einladung Schillers an den „Horen“ und dem „Musen-Almanach“ mitzuarbeiten. Auch vermittelt er ihm eine Veröffentlichung des vollendeten „Hyperion“, auch wenn Hölderlin nur wenig Geld dafür bekommt. Hölderlin kommt immer weniger unter Menschen, nur besuche bei Schiller brachten ihn in Kontakt mit der Außenwelt. Ende Mai, Anfang Juni flüchtet er schließlich aus Jena. Ein Grund dafür ist die ihn erdrückende „Übermacht“ Schillers. Der Kontakt bleibt jedoch bestehen, auch wenn Schiller wieder nicht jeden Brief von Hölderlin beantwortet.  (F)

Nach: Hölderlin, von Ulrich Häussermann, Rowohlt               Bildmonographie, 1970 Hölderlin, Chronik seines Lebens mit               zeitgenössischen Abbildungen, hrsg. Von Adolf  Beck, Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig, 1975

Zitate alle aus „Hölderlin“ von Häussermann

 

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An die Parzen

Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!

    Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,

        Daß williger mein Herz, vom süßen

            Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

 

Die Seele, der im Leben ihr Göttlich Recht

    Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;

        Doch ist mir einst das Heilge, das am

            Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,

 

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!

    Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel

        Mich nicht hinab geleitet; Einmal

            Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.

 

Friedrich Hölderlin, „Werke/Briefe/Dokumente“, Winkler Weltliteratur, München, 1963, S.30

Anmerkung : Die Parzen sind drei römische Schicksalsgöttinnen (Klotho, Lachesis, Atropos). Sie bestimmen die Länge eines Lebens.

Die große Bertelsmann Lexikothek, Band 11, Gütersloh